Kultur & Theologie

Sein wie die Träumenden

Wie eigentlich Kultur entsteht

urban urtyp Kubus, hier mit Marsen Jules & Band | (c) Ayla Wessel, Kulturagentüer

Nach aller feudalen Ausbeutung, nach Manchester-Kapitalismus und Keynes, nach SPD und alledem und nach Schulz – wie wohl das „Reich der Freiheit“ einmal aussehen könnte?

Darüber hat Karl Marx, der es herbei zu denken suchte, nie nachgedacht und das aus gutem Grund: Für ein Zusammenleben ohne Not und Zwang, ganz aus dem eigenen Willen heraus, für eine solche Gesellschaft gilt das Bilderverbot. Sie lässt sich nicht malen, ohne sie zu machen.

Ein einziges Mal auf 10 m Buchregal hat Marx aber denn aber doch einmal leichterhands skizziert, wie wohl das Leben aussehen könnte dermaleinst: Frei zu leben, schrieb er, hieße,

„heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden“.

Eine sehr schöne und sehr absurde Vision. Das herbeizitierte Vieh bspw will morgens gefüttert sein und nicht gejagt. Wer nun aber tatsächlich so lebt, wie von Karl Marx ersonnen, ohne dass er Vieh füttern oder herbeizitieren müsste, ist Gregor Schwellenbach.

Morgens Pop, vormittags Studio, mittags Filmmusik, nachmittags Techno, dann eine Einheit fürs Fernsehen, abends Theater, nachts Neue Musik, morgen ein anderes Studio, neuer Pop, neuer Tag und auch der wieder ganz so, als lebte er tatsächlich im Reich der Freiheit, im Zustand der Erlösten, dem Kommunismus. Studiert hat er Klassik, klassisches Kompositionshandwerk.

Aber, und deshalb der Vergleich, er verweigert sich der Arbeitsteilung, die im Kulturhandwerk gilt wie früher in der Stände-Ordnung. Er ist nicht  –  wieder O-Ton Marx  – 

„Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben“,

sondern ist, was man einen Grenzgänger nennt. Für Grenzgängereien braucht es ein Grenzgebiet, einen Raum, der sich zwischen Hoheitsgebieten spannt, hier zwischen denen der Klassik und dem Boulevard, zwischen Staatskultur hier und Off-Kultur dort, zwischen U- und E-Kultur usw.

Es braucht einen Raum, der es ermöglicht, schon einmal zu sein, was nicht ist. Das eben ist, warum es die Christuskirche gibt, ihre Kanzel ist die von Gregor, und dessen Kanzel wird der Kubus sein.