BDS, Kulturpolitik

BDS stumm geschaltet: Der stille Beschluss von Bochum

Ratsbeschluss: Kein Raum für BDS

Micha Ullman, Platz der Bücherverbrennung, Berlin | (cc) Luis Alvaz

Der Rat der Stadt Bochum hat  –  ohne Aufhebens darum zu machen  –  der BDS-Kampagne alle Türen gewiesen: „Nein zu Antisemitismus“ist der Ratsbeschluss betitelt, getragen wird er von allen Mitgliedern aller Fraktionen mit Ausnahme der beiden NDP-Nazis:

„Der Rat der Stadt Bochum verurteilt jegliche Form von antisemitischem und antiisraelischem Denken und Handeln, insbesondere auch das Wirken der Boycott-, Divestment- und Sanctions-Bewegung (BDS-Kampagne).“

Und:

„Der Rat fordert die Verwaltung und die stadtnahen Gesellschaften auf, alles im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu unternehmen, um der BDS-Bewegung ebenso wie allen Gruppierungen, die eine grundsätzlich antiisraelische und damit antisemitische Haltung haben, keine Einrichtungen und Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen und sonstigen Zwecke bereitzustellen“.

Zu den stadtnahen Einrichtungen zählen in Bochum ua die Jahrhunderthalle, zentraler Spielort der noch bis 2020 von Stefanie Carp kuratierten Ruhrtriennale, sowie der RuhrCongress: Hier will am 18. und 19. Juni die britisch-australische Band Dead Can Dance auftreten, deren Kopf, Brendan Perry, sich mit einiger Vehemenz an der BDS-Hetze beteiligt.

Bochum, heißt es in dem schnörkellos formulierten Ratsbeschluss,

„ist eine weltoffene, vielfältige, tolerante und internationale Stadt, die von unterschiedlichen Herkünften und dem guten Zusammenleben aller ihrer Menschen profitiert. In ihr ist kein Platz für menschenverachtendes Gedankengut und Fremdenfeindlichkeit und damit auch nicht für Antisemitismus.“

Den jüdischen Bürger/innen der Stadt spricht der Rat  –  dass eine solche Adresse vonnöten ist, erschüttert  –  seine Solidarität aus, seine „uneingeschränkte“.

Anders Brendan Perry, der musikalische Kopf des Duos Dead Can Dance, er ventiliert seit einigen Jahren den Sound der BDS-Kampagne („Apartheid“) und agitiert öffentlich gegen Künstler wie Thom Yorke von Radiohead, die Konzerte in Israel spielen. Im Juni 2017 etwa ließ Perry auf seiner Facebookseite erklären, Israel betreibe „69 years of settler colonialsm“  –  mithin seit 1948, dem Jahr, in dem der UN-Teilungsplan in Kraft treten sollte:

Diesem UN-Beschluss zufolge hätten bis spätestens zum 1. Oktober 1948 “ein unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat entstehen“ können. Anstatt einen arabischen Staat zu gründen, überzogen die arabischen Staaten das im Mai 1948 gegründete Israel mit Krieg, einem  –  so der damalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Abdel Azzam  –  „Vernichtungskrieg“. Das ist gemeint, wenn Brendan Perry von „69 Jahren Siedler-Kolonialismus“ spricht: dass der Staat Israel überhaupt gegründet wurde und sich seitdem gegen seine Vernichtung wehrt. Brendans Haltung zu Israel lässt sich mit den Worten des Bochumer Rates als

„eine grundsätzlich antiisraelische und damit antisemitische“

bezeichnen. Und nun? Der Ratsbeschluss aus Bochum ist  –  wie es die entsprechenden Beschlüsse des Bundestages, des Landtages NRW, der Rates der Stadt Dortmund uam sind  –  ein politisch eindeutiges Signal und gewinnt als solches seine Wirkung. Ob und wie sich der Beschluss („wir fordern die Verwaltung und die stadtnahen Gesellschaften auf …“ ) in die Tat umsetzen lässt, ist eine juristische Frage, aber auch hier gilt das Primat der Politik: Wer die Tür weisen will, kann es tun. Der „Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten“, den der Bochumer Ratsbeschluss eigens erwähnt, ist schon heute weit gesteckt.

Ein anderer Weg ist der, den wir gewählt haben: Für die Kulturarbeit der Christuskirche haben wir Förderer gesucht und gewonnen, die mit israelischen Unternehmen und mit Ministerien des Staates Israel zusammenarbeiten. Über diese Kooperation hatten wir auch Lisa Gerrard, Perrys Partnerin bei Dead Can Dance, sowie deren Management informiert: Im Oktober letzten Jahres gastierte Gerrard dennoch bei uns, wohlwissend, dass sie damit die BDS-Kampagne unterläuft. Die meisten von denen, die BDS unterstützen, scheuen finanzielle Risiken (sonst würden sie nicht nur das kleine Israel, sondern die große USA boykottieren): Sie spekulieren auf Glaubwürdigkeit, die ist auf diesem Wege dahin.

Der stille Beschluss von Bochum zeigt: Es ist möglich, sich gegen Antisemitismus zu wehren, die Mehrheiten dafür sind da. Es gibt sie in der Politik, es gibt sie  –  da wird man noch Fürbitten halten müssen  –  auch in den Kirchen. Nach und nach wird die Bibliothek der verbrannten Bücher  –  Micha Ullmans Denkmal auf dem Bebelplatz in Berlin: eine leere Bücherwand, im Boden versunken, siehe das Foto oben  –  angefüllt mit demokratischen Beschlüssen, die sich dem Antisemitismus heute entgegen stellen. Was fatal wäre: wenn diese Beschlüsse selber zum Denkmal gerieten und ihre Bedeutung durch das Regal gewönnen, in dem sie verstaubten.

LINKS

Rat der Stadt Bochum | “Nein zu Antisemitismuss”

Rat der Stadt Dortmund | “Grundsatzerklärung gegen Antisemitismus”

Landtag NRW | “In Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für die antisemitische BDS-Bewegung”

Bundestag | “Der BDS-Bewegung entschlossen entgegen treten – Antisemitismus bekämpfen”


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